Samstag, 14. Januar 2012

Runter kommen sie immer - Morgen ist es eine Marssonde

In letzter Zeit scheinen sich die abstürzenden Satelliten- und Weltraumschrott zu häufen. Morgen wird voraussichtlich die russische Marssonde Phobos Grunt in die Erdatmospäre eintreten und (hoffentlich) möglichst vollständig verglühen...

 Draufklicken zum vergrössern - Quelle: apenotmonkey.com

Da stellt sich nach den medial aufgebauschten Abstürzen von UARS, RoSat und dem spektakulären Wiedereintritt einer Sojus-Stufe über Deutschland natürlich die Frage: Stimmt da oben im Weltall etwas nicht? Fällt uns der Himmel auf den Kopf?

Nein, es kommt viel mehr Weltraumschrott herunter, als wir wahrnehmen bzw. von den Medien serviert bekommen, Hier eine Übersichtsgrafik vom Center for Orbital and Reentry Debris Studies .


Normalerweise wird ein alter Satellit kontrolliert zum Absturz gebracht, indem man ihn gezielt mit den letzten Treibstoffreserven abbremst. Seine geschwindigkeit ist dann zu niedrig um im Orbit zu bleiben und er fällt in einer einigermassen bogenförmigen Bahn herunter, bevorzugt so, dass er in den sog Spacecraft Graveyard fällt - das ist ein Gebiet im Südpazifik weit weg von irgendwelchen Inseln. Geostationäre Satelliten, die von der Erde weiter weg sind, werden nach ihren Betrieb mit den letzten Treibstoffreserven in einen höheren Orbit, den sog. Graveyard-Orbit verschoben, damit der wertvolle Platz in der Geostationären Umlaufbahn für andere Satelliten frei wird...

Warum kann man den Absturzzeitpunkt nicht im voraus exakt bekanntgeben?

UARS, RoSat und die Marssonde Phobos-Grunt waren "tot", man konnte sie nicht mehr steuern. So ein Objekt taumelt dann Wochen bis Jahre in seinem Orbit unkontrollierbar herum. Seine Eintrittsbahn ist im vergleich zu einem kontrollierten Absturz eher flach, und er fliegt dann etwas langsamer als seine normale Orbitalgeschwindigkeit . Es sinkt dann durch die reibung mit der dünnen Atmosphäre bei jeden Umlauf nur ein paar kilometer und schliesslich spielen am Ende sogar Winde, Luftdruckschwankungen, die Ausrichtung (Aerodynamik) etc. eine Rolle. Deshalb kann der Absturzort und die Zeit nicht vorhergesagt werden.

Um ein plattes Beispiel zu nehmen, ein normaler kontrollierter Absturz läuft ab wie das werfen eines zerknüllten Blatt Papieres. Da kann man vorhersehen, wo das einigermassen landen wird. Phobos-Grunt und die vorherigen satelliten schweben aber wie ein unzerknülltes Blatt langsam herunter, das Blatt dreht sich im winde, wedelt von links nach rechts und man kann nicht sagen, wo es herunterkommt.

So sind die bisherigen Prognosen für Phobos-Grunts Wiedereintritt ca. 20 Stunden vor dem Ereignis reichlich unpräzise. Man könnte einfach sagen: Das Ding kann überall herunterkommen.

Prognose von Reentry-News.Org. absturz am 15.1. um 19:21 UTC +- 3h

Diese Grafik zeigt die Bahn der Sonde Phobos-Grunt. Eingekreist ist der derzeit wahrscheinlichste Eintrittspunkt. der blaue Graph zeigt die Bahn vor und der gelbe Graph die Bahn nach diesen Zeitpunkt. Ein Querstrich entspricht jeweils 5 minuten. Sicher ist bisher nur - irgendwo innerhalb dieses Graphen wird der Wiedereintritt stattfinden. Aktuellere Daten kann man hier abrufen: http://reentrynews.aero.org/2011065a.html - für wirklich interessierte hat Daniel Fischer in seinen Blog eine ausführliche Zusammenfassung mit vielen Querverweisen geschrieben. Dieser Artikel dürfte noch mehrmals aktualisiert werden. Erfahrungsgemäß gibt es kurz vor dem Ereignis via Twitter die aktuellsten Daten von Vorhersagen. Hier ist wieder Daniel Fischers Twitter-Account oder http://twitter.com/Space_Tracker zu empfehlen.

Muss man von den Wiedereintritt Angst haben?

Nein! Bisher ist kein Mensch durch herabstürzenden Weltraumschrott zu Tode gekommen. Die Erde ist gross und wahrscheinlich wird das meiste von der Sonde in der Atmosphäre verglühen. Wer in der Nähe eines Flughafens wohnt, sollte sich eher darüber sorgen, dass kein Flugzeug über ihn abstürzt...

... eine Besonderheit gibt es aber bei Phobos-Grunt: Da die Sonde ursprünglich zum Marsmond Phobos fliegen sollte, hat sie sehr viel Treibstoff an Bord, von den man nicht genau weiss, wie er sich beim Wiedereintritt verhält.Der dürfte, falls er durch die enorme Hitze nicht verpufft, sich aber dank der grossen Geschwindigkeit weiträumig in den obersten Schichten der Atmosphäre verteilen. Ein Fueldump eines Flugzeuges vor einer Notlandung dürfte schwerwiegendere Auswirkungen haben.


In den Medien war zu hören, das HAARP die russische Sonde zum Absturz gebracht hat

... das ist Quatsch, und ein für Russland leider typisches Ablenkungsmanöver um von eigenen Problemen abzulenken. Wer sich für Raumfahrt interessiert, weiss, dass bei den Russen seit ein paar Jahren massive Probleme herrschen, das Budget wurde radikal gekürzt, Subunternehmen zur Herstellung von Raketen-Satellitenteile privatisiert und gespart wurde ausgerechnet bei der Qualitätskontrolle. Die PR-Arbeit der russischen Raumfahrt ist eine Katastrophe - die natürlich allem anderen die Schuld geben ausser den eigenen Leuten, die Mitarbeiter diverser russischen Firmen die an den Projekten beteiligt sind weinen und schimpfen sich in ihren Foren aus.

Die Probleme der russischen Raumfahrt werden von einen aktiven deutschen Raumfahrt-Ing. hier sehr treffend beschrieben: http://www.scilogs.de/kosmo/blog/go-for-launch/allgemein/2011-11-28/offener-brief-an-pr-sident-medwedew

Die Russen neigen dazu, eigene Probleme auf andere abzuschieben - bevorzugt den ehem. Klassenfeind. Man erinnere sich nur an den Kursk-Unfall. Die populärste Erklärung dafür ist in Russland noch heute, ein feindliches U-Boot hätte sie gerammt oder angegriffen. Es dauerte 3 Tage bis die Russen überhaupt zugaben, Probleme mit einen U-Boot zu haben und wiesen jedliche Hilfe anderer Nationen ab. Das Ergebnis ist bekannt. Der Roskosmos-Chef hat extreme Probleme durch die Pleitenserie der letzten Zeit, sein Stuhl wackelt. Aber er hat die Gunst des Ministerpräsidenten und des Präsidenten und er schlägt ins selbe Horn wie diese. Der Roskosmos-Chef macht genau dasselbe was jeder hohe Posten in Russland macht, wenn er ein Problem hat - die schuld den anderen, am besten den Amis in die Schuhe schieben.

Aktuell werden in Russland ja gerade die Demonstrationen wegen der Wahlmanipulation einen "Ausländischen Komplott" in die Schuhe geschoben. So ist eben die "Gelenkte Demokratie" in Russland.

--------- UPDATE 15.1. ---------

Phobos-Grunt soll laut russischen Militaer heute um 18:45 Uhr MEZ über den Pazifik verglüht sein. Gesicherte Angaben gibt es bisher nicht.

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